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Zusammenfassende Darstellung der Entwicklung im Monschauer Land von 1815 bis 1870

Am 15.April 1815 ergriff der König von Preußen, legitimiert.durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses, Besitz von den Rheinlanden einschließlich unserer Eifeler Heimat. In einem Aufruf wandte er sich an die als „Deutsche“ bezeichneten Rheinländer und erklärte, ihr Land werde als „Vormauer der Freiheit und Unabhängigkeit Deutschlands“ nunmehr wieder mit Deutschland vereinigt, während Preußen die ehrenvolle Aufgabe der Verteidigung übernehme. Der neue Landesherr versprach sodann im Inneren eine gerechte Verwaltung, Ehre und Schutz für die Religion, Errichtung eines Bistums, einer Universität, neuer Bildungsanstalten für Geistliche und Lehrer, Förderung von Handel und Gewerbe, Festsetzung der Steuern im Einvernehmen mit einer Volksvertretung – alles Anliegen also, die den Rheinländern besonders am Herzen lagen.

Es tat sich fortan die Frage auf, ob die so fest ausgeprägte Staatsidentität Preußens es vermochte, die von den Ideen der französischen Revolution nicht unbeeinflusst gebliebenen linksrheinischen Gebiete unter voller Berücksichtigung der Eigenart ihrer Menschen und ihrer reichen Tradition mit den so grundverschiedenen alten preußischen Provinzen zu einem einheitlichen Staatsverband zu verbinden. In der Tat ist dies erst in einem langen, sich über mehrere Jahrzehnte hinziehenden Ringen gelungen, nämlich als nach den siegreichen Einigungskriegen Deutschlands (1864 gegen Dänemark, 1866 gegen Österreich und 1870/71 gegen Frankreich) die Rheinländer schließlich stärker in den preußisch dominierten deutschen Nationalstaat als in Preußen selbst aufgingen.

Die Rheinländer blieben sich in breiten Schichten des Volkes ihrer von der altpreußischen so verschiedenen Sonderart bewusst, hatten sie doch den Beginn der modernen Zeit nicht Preußen, sondern Frankreich zu verdanken.

Die völlige Hingabe an den Staat, die Einfügung in die viel gerühmte, aber auch viel geschmähte preußische Disziplin ist in den Rheinlanden nicht als erstrebenswerte Pflicht und höchste Ehre zugleich empfunden worden. Man hatte sie vor der Einheirat in „de ärm Famillige“ (in die arme preußische Familie) – wie es der Kölner Bankier Abraham Schaaffhausen sarkastisch nannte – auch gar nicht gefragt, ob ihnen der Partner überhaupt genehm sei. Zuweilen sprach man später von einer Vernunftehe zwischen Preußen und den Rheinlanden, was diese Verbindung treffend charakterisierte.

Der Übergang von der französischen Fremdherrschaft zur preußischen Besitznahme war für die Bevölkerung denn auch eine Zeit außerordentlich schlechter Lebensverhältnisse, großen Elends und bitterer Not. Unsägliche, mit den Kriegen und Nachkriegsphasen verknüpfte Lasten wurden den Menschen aufgebürdet. So nimmt es nicht wunder, dass von einer Begeisterung über den Anschluss an Preußen im Kanton Montjoie kaum etwas wahrzunehmen war. Vielmehr war jede politische Neigung in der ausgesogenen und verarmten Bevölkerung, die in der Vergangenheit oftmals Gut und Blut für ihre deutschen und für fremde Herrscher hatte hergeben müssen, abgestorben. So schlug dem neuen Staatswesen zunächst eine von argem Misstrauen, von Erbitterung und Antipathie geprägte Stimmung entgegen. Vielen Familien ging durch den Niedergang der regionstypischen Industrien die Existenzgrundlage verloren. Von der landwirtschaftlichen Arbeit allein konnten sie nicht leben. Hinzu kamen die häufigen Missernten mit ihren schlimmen Folgen wie Hungersnöte und verheerende Krankheiten.

Etwa mit den Jahren 1822/23 begann sich die Lage ganz langsam zu bessern. Einige staatliche Maßnahmen zugunsten der Infrastruktur und im administrativen Bereich zeitigten positive Resultate. Gute Verkehrswege erschlossen das Kreisgebiet besser als bisher. Das Schulwesen erfuhr eine grundlegende Wandlung zu einer effektiveren Ausbildung der Kinder.

Im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Julirevolution in Frankreich (1830) erhöhte der preußische Staat seine Aufmerksamkeit gegenüber den Nöten der arbeitenden und armen Menschen. So verlief bis in die 1840er Jahre hinein eine verhältnismäßig ruhige Zeit für die Bevölkerung. Allmählich begann sich hier und dort eine dem Herrscherhaus zugeneigte Stimmung auszuprägen, und das gesellschaftliche Leben blühte auf. Auch bevölkerungspolitisch zeigten sich positive Wirkungen. Beispielsweise nahm die Anzahl der Einwohner Lammersdorfs von 1828 bis 1849 um 11,3 %, also von 662 auf 737 zu.

Die gesellschaftliche Entwicklung vollzog sich jedoch nicht geradlinig. Fortschritte auf einigen Gebieten wurden begleitet von rückwärts gerichteten Entwicklungen in anderen Bereichen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 wurden Industrie, Handel und Gewerbe immer wieder von Krisen geschüttelt, was für viele Menschen tragische Auswirkungen hatte. Etliche Missernten in der Landwirtschaft verursachten das Übrige, um die Nöte der Menschen zu verschärfen. Dies alles und die von außen wirkenden Einflüsse der Februarrevolution in Frankreich (1848) erzeugten auch im Monschauer Land partiell politische Unruhen. Sie mündeten zwar nicht (wie z.B. im März 1848 in Berlin) in eine revolutionäre Erhebung, ließen jedoch Verängstigungen aufkommen und fachten politische Leidenschaften an. Gleichermaßen lösten sie verschärfte, dem gesellschaftlichen Fortschritt abträgliche Restriktionen des preußischen Staates aus.

Während sich im 19. Jahrhundert der größte Teil des damalige Deutschland innerhalb weniger Jahrzehnte von einem Agrarland zu einem der führenden Industriestaaten der Erde wandelte, blieb die Eifel von alledem fast unberührt. Sie befand sich quasi im „toten Winkel“ der industriellen Revolution. Ihr periphere Lage und die immer noch mangelhafte Infrastruktur des Verkehrs sowie veraltete Produktionsmethoden leiteten schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Krise der heimischen Industrien ein.

In der ersten, allerdings sehr kurzen Zeit nach der preußischen Machtübernahme erlebte die Tuchindustrie vor allem durch den Wegfall der Zollgrenzen noch einmal einen gewissen Aufschwung. Letztendlich jedoch konnten die Monschauer Tuchmacher ein allmähliches Abwandern der Tuchfabrikation nach Aachen, das bereits 1843 ans Eisenbahnnetz angeschlossen worden war, nicht verhindern Die Blütezeit der Monschauer Tuchindustrie war nun mal vorüber, ihr Niedergang unumkehrbar geworden. Als weitere Ursachen für die schwindendript src="/plugins/editors/jce/tiny_mce/themes/advanced/langs/en.js?version=150" type="text/javascript"> e Bedeutung dieser Industrie wirkten außer ihrer fehlenden Verkehrsanbindung die Abnahme der Eifeler Schafzucht als Basis für den Rohstoff Wolle und die Erschöpfung der Möglichkeiten des Gewinnens von Torf als billiges Heizmaterial. Von den ursprünglich rd. 50 Tuchfabriken im Monschauer Raum stellten bis 1824 30 Betriebe die Produktion ein, 1871 gab es noch ganze drei Tuchfabriken. Und als im Jahre 1908 die Firma Louis Scheibler & Sohn ihren Betrieb schloss, war das Ende der traditionellen, einst ruhmreichen Monschauer Tuchindustrie endgültig besiegelt.

Auch der Niedergang der Eisenindustrie in den Tälern von Rur, Vicht und Kall war nicht mehr aufzuhalten . Obwohl der Bergbau in der Nordeifel seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts von den technischen Verbesserungen wie der Verwendung von Dampfkraft und Elektrizität, dem Einsatz von Entwässerungspumpen, neuen Sprengstoffen und Bohrmaschinen partiell profitiert hatte, scheiterte in den meisten Produktionsstätten die tech-nische Modernisierung der Anlagen am Kapitalmangel. Die Eisenprodukte blieben zu teuer und waren deshalb auf den Märkten nur sehr schwer absetzbar. Als wesentlichen weiteren Grund muss man sehen, dass infolge der fehlenden Verkehrsverbindungen die effektiveren Brennstoffe Steinkohle und Koks nicht herantransportiert und eingesetzt werden konnten, was die auf heimischer Holzkohle basierende Produktion erheblich verbilligt hätte. Hinzu kam, dass die Möglichkeiten der Herstellung von Holzkohle rapide schwanden, weil die Waldbestände durch den für die Köhlerei notwendigen Holzeinschlag schon sehr gelichtet waren.

Letzten Endes jedoch hätte der weitere Einsatz von Holzkohle die Eisenindustrie auch nicht mehr retten können; denn die Konkurrenz wuchs in rasantem Tempo heran, produzierte wesentlich mehr, besseres und billigeres Eisen. Zollgrenzen mit den Niederlanden und dem seit 1831 bestehenden Belgien trennten unseren Raum von wichtigen ehemaligen Absatzgebieten. Die Öffnung in das östliche Preußen bot dafür nur wenig Ersatz, zumal Eisenproduzenten im Hunsrück und im Siegerland längst die dortigen Märkte erobert hatten. Der lang ersehnte Eisenbahnanschluss (erst 1885) kam für die Eisenhütten der Eifel zu spät. Einige Firmen verlagerten ihre Werke aus der Eifel hinaus an günstigere Standorte, z.B. in die Nähe des Ruhrgebietes oder in das Industrierevier bei Aachen. Das Gros der Eifeler Eisenindustrie jedoch blieb von den aufstrebenden Zentren isoliert. Die Folge war, dass ein Hochofen nach dem anderen erlosch. Im Jahre 1881 beendete das letzte Hammerwerk, 1898 der letzte Hochofen seine Arbeit. – Heute vermag man sich nur schwer vorzustellen, dass noch vor wenigen Jahrhunderten beißender Qualm von Holzkohlenmeilern und äußerst unangenehmer Lärm von Hochöfen und Hammerwerken sowie von den unentwegt über die Wege ratternden Transportkarren die Täler erfüllte.

Auch die Landwirtschaft stieß im 19. Jahrhundert in den direkt am Venn gelegenen Dörfern der Nordwesteifel, zu denen auch Lammersdorf gehört, an ihre Grenzen. Der Ackerbau war auf dieser Hochfläche von jeher ein Stiefkind der Natur. Die Kargheit des Bodens und die Ungunst des Klimas hatten eine nur geringe Ertragsfähigkeit zur Folge. Das Saat- und Pflanzgut gedieh äußerst schlecht und zeitweise überhaupt nicht, sodass häufige Missernten mit ihren fatalen Auswirkungen Mensch und Tier immer wieder in arge Nöte versetzten. Die vorherrschenden, von den damals objektiv gegebenen Möglichkeiten diktierten Methoden der Bewirtschaftung des Bodens vermochten an dem Dilemma nicht allzu viel zu ändern. Es dominierte die Feldgraswirtschaft – ein Bodennutzungssystem, bei dem auf gleichen Flurstücken in einem bestimmten Wechsel Ackerbau und Grünlandwirtschaft stattfand. In Lammersdorf z.B. nutzten die Bauern das jeweilige Wechselland in drei aufeinanderfolgenden Jahren zur Ackerung. Im ersten Jahr bauten sie in der Regel Hafer an; im zweiten Jahr folgten nach kräftiger Stalldüngung Kartoffeln und im dritten Jahr wurde Winterroggen eingesät. Daran schloss sich eine siebenjährige Grünlandnutzung an.

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts überließ man das betreffende Flurstück der Selbstberasung. Da war anfangs nicht an eine halbwegs gute Weide zu denken. Hatte sich nach vier bis fünf Jahren schließlich eine solide Grasnarbe gebildet, konnte das Vieh zum Weiden aufgelassen werden, allerdings nur für sehr kurze Zeit, denn schon bald ging man daran, das Land wieder umzubrechen, weil man meinte, es habe sich genügend erholt und könne nun wieder Körnerfrüchte tragen. Hier wird deutlich, wie wenig effektiv diese Bearbeitungsmethode war.

Einige Jahrzehnte später gingen die Bauern zur Graseinsaat über. Dabei bedienten sie sich, da sie den eigentlichen Grassamen noch nicht kannten, bis weit in das 20. Jahrhundert hinein des Heustaubes. Das beschleunigte und verdichtete zwar die Berasung und machte die betreffenden Flächen eher als Weideland nutzbar; in der Endkonsequenz jedoch reichte auch diese Methode nicht aus, um die Bedürfnisse zu befriedigen. Die weiterhin bestehende Mangelernährung der Tiere – nicht zuletzt infolge Fehlens eines systematischen Futteranbaues – sowie die Überbeanspruchung der Tiere führten zu minderwertigem Vieh, zu erhöhter Seuchenanfälligkeit und starker Dezimierung der Bestände. Für eine effektive Viehzucht fehlten Konzeption und Erfahrung.

Es zeigte sich also, dass die Bauern weder vom Ackerbau noch von der Grünlandwirtschaft unter den beschriebenen Bedingungen befriedigende Ergebnisse erzielen konnten – umso weniger, als sie noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die meisten landwirtschaftlichen Arbeiten von Hand mit einfachen Hilfsgeräten erledigen mussten.

Hinzu kamen Erschwernisse in der Arbeitsorganisation. Sie ergaben sich unter anderem aus der zu dieser Zeit üblichen Realerbteilung, d.h., die Flurstücke wurden im Todesfalle auf die hinterbliebenen erbberechtigten Angehörigen gleichmäßig verteilt. Auf die Dauer führte dies zu einer immer stärkeren Aufsplitterung der Nutzfläche in kleine und kleinste Parzellen, die sich oft auch in einer extrem gestreuten Lage befanden. Das brachte es mit sich, dass vom Hof weiter entfernt oder irgendwie ungünstig liegende Landstücke nicht so regelmäßig und intensiv bearbeitet werden konnten, wie das erforderlich gewesen wäre. Aus diesen Umständen resultiert übrigens auch, dass in der Landwirtschaft – zumindest in den am Venn gelegenen Dörfern – das kleinbäuerliche Element überwog. Noch Mitte der 1950er Jahre waren in Lammersdorf rd. 82 Prozent der Bauernwirtschaften Kleinbetriebe mit einer Nutzfläche von bis zu 10 ha, davon ein gewichtiger Teil mit nur 2 – 5 ha.

Empfindliche Einbußen bereiteten den Bauern die vorwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgeführten großflächigen Aufforstungen im Hohen Venn. Mehr und mehr gingen ihnen die Weideplätze für ihre Tiere und die Möglichkeiten der Streunutzung verloren. Als dann die noch bestehenden Laubwälder nach und nach in Fichtenforste umgewandelt wurden, machte dies den Bauern auch die Nutzung des Waldes als Weide, z.B. für die Schweine zur Mast mit Bucheckern und Eicheln, unmöglich.

Betrachtet man die oben beschriebenen Probleme in ihrer Gesamtheit, wird deutlich, dass die landwirtschaftlichen Kleinst- und Kleinbetriebe ihre Familien allein nicht zu ernähren vermochten. Die Verknüpfung der land-wirtschaftlichen Produktion mit weiteren Erwerbsquellen wie z.B. Heimarbeit für Industrie, Handwerk und Gewerbe war schon seit Jahrhunderten eine zwingende Notwendigkeit und blieb es auch im 19. Jahrhundert.

In unserem Heimatort dienten als zusätzliche Erwerbsquellen zu dieser Zeit die Arbeit in der Tuchindustrie, verschiedene handwerkliche Tätigkeiten, z.B. das Spinnen und Weben sowie die Besenbinderei, die Beschäftigung im Handel und schließlich das Frachtfahren. Je nach dem Stand der Einkünfte wurde nicht selten die Arbeit in der eigenen Landwirtschaft zum Nebenerwerb, weil der Bauer selbst oder Familienmitglieder in der Tuchindustrie beschäftigt waren oder mit ihrem Gespann Frachten über Land transportierten, z.B. Rohstoffe und Er-zeugnisse der Tuchindustrie und der Eisenproduktion. Da hier bedeutend höhere und vor allem gesicherte Einkünfte erzielt werden konnten als in der oft nur einen kümmerlichen Gewinn abwerfenden Landwirtschaft, wurde diese häufig vernachlässigt.

Von den Nöten und Ängsten in dieser Zeit gepeinigt, suchte mancher sein Heil aber auch im Ausland. Da uns über die Auswanderungen aus unserem Heimatort keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, stellen wir, um einen Eindruck von der beachtlichen Dimension der Auswanderungen zu vermitteln, im Folgenden eine Übersicht über deren Entwicklung in der damaligen Kreisstadt Monschau und einige allgemeinere Zahlen zusammen:

monschau einwohner

Von 1816 bis 1830 verließen Monschau 650 Bürger; sie wanderten insbesondere nach Polen oder Russland aus, wohin alte Geschäftsverbindungen der Tuchfabrikanten lockten. In der Zeit von 1850 bis 1863 versuchten 893 Monschauer Bürger, in aufblühenden deutschen Industriezentren (insbesondere an Rhein und Ruhr), in Großstädten (insbesondere in Köln) oder im Ausland sich eine neue Existenz aufzubauen. Im industriellen Schlüsseljahr 1907 hatte der Kreis Monschau als einer der ganz wenigen Kreise infolge der Wanderungsbewegung weniger Einwohner als 1882.

Wegen mangelnder Arbeitsmöglichkeiten und anderer sozialer Missstände entwickelten sich im 19. Jahrhundert verschiedene Regionen der Eifel zu Notstandsgebieten, sodass schon bald nach Beginn der Preußenzeit Auswanderungen einsetzten. Von 1840 bis 1871 verließen 60 000 Menschen ihre Heimat , darunter 70 bis 80 Prozent Bauern, Tagelöhner, Knechte und Mägde, und 20 bis 30 Prozent Handwerker; über 40 000 von den 60 000 Auswanderern sind in den drei Jahrzehnten in die Überseegebiete, vornehmlich nach Nordamerika, gegangen.

Seit den 1860er Jahren wandelte sich der Auswanderungsstrom mehr und mehr zu Binnenwanderungen in Richtung des aufstrebenden rheinisch-westfälischen Industriereviers und der großen aufblühenden Städte, in erster Linie Köln.

In den 1880er Jahren erreichten die Abwanderungszahlen im Rahmen der innerdeutschen Wanderung im Zusammenhang mit dem Niedergang der Eifeler Landwirtschaft sogar den Höchstwert von jährlich 18 000 Menschen.

Zwischen 1871 und 1914 betrug der Wanderungsverlust in der Eifel 100 000 Menschen. Der größere Anteil beruhte auf Binnenwanderungen.

Der preußischen Bezirksregierung in Aachen blieb die durchweg außerordentlich prekäre Situation in der Landwirtschaft nicht verborgen. Schließlich empfahl der Regierungspräsident den Bauern, sich Schritt für Schritt auf die Grünlandwirtschaft mit einer sachkundigen und planmäßigen Viehzucht zu verlegen. In der Tat begünstigten die in der Region am Venn üblichen hohen Niederschläge, die stets feuchtigkeitsgeschwängerte Luft der Höhenlagen und der sehr graswüchsige Boden hier in ganz besonderem Maße die Grünlandwirtschaft und machten den Ackerbau dagegen nahezu unmöglich.

Um diesen Weg gehen zu können, erhielten die Bauern vielfach Zuschüsse und Darlehen, speziell für die Verbesserung der Weiden durch Melioration und Düngung. Auch für die berufliche Weiterbildung der Bauern wurde viel getan. So entstanden von der Mitte des 19. Jahrhunderts an die landwirtschaftlichen Casinos, in denen die Landwirte mit den Belangen der Grünlandbewirtschaftung und der Viehzucht vertraut gemacht wurden und Erfahrungen austauschen konnten. Die Casinos waren die Vorgänger des ländlichen Genossenschaftswesens.

In der Folgezeit trugen diese Maßnahmen ihre Früchte. Es begann in der Nordwesteifel ein mehrere Jahrzehnte beanspruchender Prozess, der wegführte vom traditionellen Bauernhof mit Ackerbau und Viehzucht unter einem Dach und allmählich, aber zielstrebig hinführte zu einem auf Weidewirtschaft und Viehzucht spezialisierten Landwirtschaftsbetrieb.

Dass dieser Fortschritt allenthalben zunächst ein zögerlicher war und insgesamt eine längere Zeit brauchte, lag am Überwiegen des Kleinbesitzes infolge der starken Parzellierung, der vielfach nur im Nebenberuf betriebenen Landwirtschaft, der festen Traditionsgebundenheit des Bauern und an mangelndem Betriebskapital. Eine große Rolle spielte darüber hinaus seine Furcht vor Wirtschaftskrisen. Letztere ließ ihn gegenüber der Monokultur des Dauergrünlandes, die bei Markt- und Preisunregelmäßigkeiten sehr gefährdet ist, Zurückhaltung üben und möglichst lange noch an der gemischten Wirtschaftsweise festhalten. Erst moderne Entwicklungen, verkehrsmäßig bessere Erschließung, Melioration, Flurbereinigung der fürchterlich zersplitterten Gemarkungen, Übergang zu ökonomischeren Wirtschaftsweisen und die Überwindung traditioneller Vorurteile ließen die Bauern allmählich aufatmen und glücklicheren Zeiten entgegen gehen.

Man kann hier deutlich sehen: Während die Regierung im industriellen Bereich der Nordeifel infolge Fehlens notwendiger Voraussetzungen Rückentwicklungen nicht verhindern konnte, unternahm sie alles, um der Landwirtschaft zielgerichtete Impulse für eine mögliche Vorwärtsentwicklung zu geben und die Bauern dabei in beachtlichem Umfang mit finanziellen, materiellen und organisatorischen Mitteln zu unterstützen.

Ohne die Negativentwicklungen unterschätzen zu wollen, muss bei kritisch und unvoreingenommener Betrachtung sowie sachlicher Abwägung festgestellt werden, dass die Preußenzeit viel Gutes für die Rheinlande gebracht hat, dass das Rheinland vom preußischen Staat nach Kräften gefördert worden ist. Die preußische Regierung tat viel, um die Lebensverhältnisse der Bürger schrittweise spürbar zu verbessern. Immer wieder stand sie dabei vor schwierigen Entscheidungen. Stets galt es abzuwägen, was den gesamtgesellschaftlichen Forschritt voranbringen und was ihn hemmen konnte. In der Rückschau dürfen wir mit Fug und Recht resümieren, dass der preußische Staat in vielen Bereichen das Volk auf die richtigen Wege in eine bessere Zukunft geführt hat. Einige ausgewählte Beispiele mögen dies belegen.

Mit seiner Zollgesetzgebung von 1818 bewirkte er einen gewaltigen Fortschritt, weil er durch die Beseitigung der Binnenzölle das alte östliche Preußen mit dem neuen westlichen Preußen zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet vereinigte und einen freien Markt schuf, auf dem sich im ganzen Lande Wirtschaft, Handel und Gewerbe weitgehend ungehemmt entfalten konnten. Mit den Zollgrenzen zum Westen schützte er die Wirtschaft vor der Konkurrenz aus den westlichen Ländern Dass den Unternehmern des linksrheinischen Teils Preußens dadurch jedoch die Nutzung ihrer dortigen traditionellen Märkte, auf die sie sich während der französischen Fremdherrschaft eingestellt hatten, beträchtlich erschwert wurde, musste er im Interesse der Gesundung und Entfaltung des wirtschaftlichen Lebens im gesamten Staatsgebiet zunächst in Kauf nehmen – so auch die Tatsache, dass der regionstypischen Industrie des Monschauer Landes - der Tuch- und Eisenindustrie - daraus Probleme erwuchsen, die zu ihrem Niedergang mit beigetragen haben. – Schon wenige Jahrzehnte später war das preußische Bürgertum – einschließlich des aus den industriellen Zentrum des Rheinlandes hervorgegangenen – zum stärksten in Deutschland geworden und trat nach 1840 an die Spitze der antifeudalen nationalen Opposition, die immer nachdrücklicher ihr Mitspracherecht forderte und schließlich 1848 als Sieger aus der Revolution hervorging, an die Regierung gelangte und eine preußische Nationalversammlung bildete.

Auch die Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Jahre 1825 war zweifelsohne eine absolut progressive Entscheidung, weil sie das Analphabetentum eindämmte und den Kindern den Weg zur Allgemeinbildung öffnete, ausdrücklich verbunden mit der Festlegung, den Unterricht auch in den Sommermonaten durchzuführen. Dennoch stieß das Schulgesetz immer wieder auf erbitterten Widerstand – bis in die nächsten Jahrzehnte hinein. Selbst im Revolutionsjahr 1848 tauchte die Abschaffung der Schulpflicht noch in den Forderungskatalogen der demokratischen Kräfte auf. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Schulpflicht schränkte die Möglichkeiten ein, die Kinder ganztägig als Arbeitskräfte einzuspannen. Für die Fabrikanten bedeutete dies den Wegfall billiger Arbeitskräfte, für die Kleinbauern den Verlust dringendst benötigter Mithelfer bei der Erledigung der Arbeiten im Familienbetrieb. Trotz allem blieb die Regierung konsequent. Zwar gewährte sie hier und da bei akuter Notwendigkeit gewisse befristete Aufschübe, ließ sich letztendlich jedoch von der Umsetzung des Gesetzes nicht abbringen.

Und ein letztes Beispiel: Die von der Mitte des 19. Jahrhunderts an auch in der Nordeifel großflächig durchgeführten Aufforstungen waren auch in unseren heimatlichen Höhengebieten ein unausweichlicher Schritt zur Wiederherstellung des normalen Naturkreislaufes. Jahrhunderte hindurch hatten ihn blindlings durchgeführte Holzeinschläge für die Köhlerei, aber auch für den gewinnbringenden Holzverkauf empfindlich gestört. Die auf diese Weise entwaldeten Bergrücken und die kahlen, 400 bis 600 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Hochflächen mussten zum Schutze der Täler wieder mit einem Waldmantel versehen werden, um ihre Ausspülung durch den ungehinderten Abfluss des in immensen Mengen anfallenden Niederschlagswassers zu verhindern sowie Klima und Boden wieder günstiger zu beeinflussen. Der preußischen Regierung war klar, dass die Aufforstungen es den Bauern künftig unmöglich machten, die ehemaligen Heide- und Ödlandflächen als Viehweide und zur Streugewinnung sowie die in Fichtenforste umgewandelten Laubwaldbestände als Waldweide für ihr Vieh zu nutzen. Zwar gab es zeitweilig Bemühungen, durch das Belassen größerer Abstände zwischen den Reihen der Setzlinge die Waldweide weiterhin zu ermöglichen. Aber in den Fichtenforsten fielen halt keine Bucheckern und Eicheln an, die beispielsweise die Schweine zur Mast benötigten. Heute ist diese eigentümliche Art der Aufforstung aus dem Forstbild des Monschauer Landes verschwunden. Lediglich im 4. Distrikt des Lammersdorfer Gemeindereviers traf man sie in den 1950er Jahren noch an. Von welchen schlimmen Auswirkungen Natur und Umwelt im Monschauer Land betroffen worden wären, wenn die Regierung hinsichtlich der Aufforstungen ihre Linie nicht zielstrebig und entschlossen verfolgt hätte, ist leicht nachzuvollziehen.

Angesichts der beschriebenen Sachverhalte darf realistischerweise eingeschätzt werden, dass sich während der gesamten Preußenzeit von fünfeinhalb Jahrzehnten in Teilen der Bevölkerung schrittweise eine propreußische Stimmung herausbildete. Gewiss hatte dies, wie oben bereits ausgeführt, seine Gründe vor allem in den verschiedenen staatlichen Maßnahmen zur Stabilisierung bestimmter Wirtschaftsbereiche sowie des Gesellschaftsgefüges, in dem konsequenten Bemühen um Sicherheit, "Zucht und Ordnung", in den ersten, wenn auch zaghaften Schritten in Richtung Demokratie und schließlich in den vielen konkreten Aktivitäten zur Linderung wenigstens der größten Nöte der Menschen.

In der Literatur wird diesbezüglich eingeschätzt, das 19. Jahrhundert habe auf allen Gebieten für unser Land einen Fortschritt gebracht, dem gegenüber alle verflossenen Jahrhunderte als ein Stillstand erschienen. Dem preußischen Staat sei es gelungen, durch die Schaffung größerer Verwaltungseinheiten mittels Zusammenfassung in Provinzen mit Regierungsbezirken und Kreisen den Geist der Zusammengehörigkeit in die Bevölkerung hineinzutragen, der früher kaum lebendig gewesen wäre. Immer mehr Aufgaben seien den Bürgermeistereien und Gemeinden zugewiesen und damit die rege Anteilnahme der Bevölkerung am Allgemeinwohl wachgerufen und gefördert worden.

Als dann am Ende der hier betrachteten Periode der Deutsch-Französische Krieg vorbereitet wurde, hatte sich im Volke eine Stimmung herausgebildet, die davon geprägt war, dass viele Bürger die militärischen Belastungen nicht mehr wie 1814/15 als drückende Bürde, sondern als bereitwillig zu erfüllende Pflicht empfanden. Im Hinblick auf die Ursachen und Ziele dieses Krieges, angesichts seines Verlaufes und seiner Ergebnisse waren denn auch, getragen von erwachendem deutschem Nationalbewusstsein, patriotische Gefühlsäußerungen und Haltungen allenthalben festzustellen. Zahlreiche Menschen hatte ein Patriotismus für ihr deutsches Vaterland erfasst, der 1914 mit elementarer Kraft wirkte, der auch nach dem verlorenen Krieg standhielt und die Separatisten aufs Schärfste zurückwies.

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