Zivilehe in preußischer Zeit
Napoleons mißlungener Rußlandfeldzug (1812) leitete die Phase der "Befreiungskriege" ein. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig (18.10.1813) wurde die Lage für die französische Administration in den linksrheinischen Departementen unhaltbar. Anfang 1814 verließen alle höheren Beamten des Kaiserreiches das Roer - Departement, das am 12.1.1813 dem von den verbündetetn Mächten gebildeteten Generalgouvernement Niederrhein unterstellt wurde. Am 17.1.1813 paradierten Kosaken vor dem Aachener Rathaus.1
Am 11.3.1814 verordnete der Generalgouverneur Sack, dass alle französischen Dienstsiegel abgeschafft seien und binnen 8 Tagen bei den betreffenden Kreisdirektoren abgeliefert werden sollen.2
Die obere Abb. zeigt einen Urkundenkopf vom August 1814. Die Sacksche Verordnung war noch nicht bis Lammersdorf vorgedrungen, beide Dienstsiegel entstammen noch der französischen Administration. Das Formular ist noch in französischer Sprache, mit der kleinen, vielleicht bezeichnenden Veränderung, dass der Bürgermeister das Wort Maire durchstreicht und Bürgermeister hinter seinen Namen setzt.
Ab 1815 werden deutschsprachige Übersetzungen der vormals französischen Formulare benutzt. In der Abbildung darunter findet man noch immer ein französisches Dienstsiegel neben dem des Generalgouvernements.
Neben der administrativen Modernisierung, die das Rheinland während der Franzosenzeit erfahren hat, scheint es doch nicht gelungen zu sein, breite Bevölkerungsschichte zu integrieren.
In einem Fazit schreibt Graumann:
"Die Bevölkerung selber partizipierte an der Politik der Jahre 1798 - 1814 nur geringfügig, und ihre Haltung zur französischen Staatführung war ... geradezu oppositionell bis indifferent."3
Vielleicht erklärt das den Wunsch von Hubert Lennartz sich in einem französischsprachige Formular nicht mehr als Maire sondern als Bürgermeister zu bezeichnen.
Dennoch blieben in der preußischen Zeit beachtliche Organisationsstrukturen der französischen Epoche erhalten. Neben der Gemeindeorganisation, Lammersdorf blieb bis 1850 eine Samtgemeinde aus Lammersdorf, Zweifall und Mulartzhütte, war es die Bürgermeisterverfassung, die kein Wahl für das Bürgermeisteramt vorsah.4 Die Personenstandsbücher von Lammersdorf enthalten also bis 1850 wie in französischer Zeit, die Personenstandsdaten von Zweifall und Mulartzhütte.
Eine aussergewöhnliche Errungenschaft, die dem Rheinland bis 1900 erhalten blieb, ist der Code civil und damit die Verfahrensregeln und Inhalte für Personenstandsdaten.
1) Sabine Graumann; Französische Verwaltung am Niederrhein - Das Roerdepartement 1798-1814; Klartext;S.234f.
2) ebenda S.238
3) ebenda S.234
4) Bernd Läufer, Nachrichten der merkwürdigsten Begebenheit - Chronik der Gemeinden Lammmersdorf, Zweifall und Mulartzhütte 1813 - 1851; Helos; S.43